Dragotin Gustinčič (1882 – 1974)

Dragotin Gustinčič, seiner Bildung nach Ingenieur, etablierte sich durch sein vertieftes Selbststudium der marxistischen Theoretiker bereits in den ersten Jahren nach der Gründung der Kommunistischen Partei Jugoslawiens im Jahr 1919. 1923 hat sich Gustinčič als erster unter den jugoslawischen Kommunisten gegen die serbischen zentralistischen Tendenzen geäußert und für den föderalen Aufbau der kommunistischen Partei plädiert – diese Auffassung hat sich später zur dominanten Strömung innerhalb der Kommunistischen Partei Jugoslawiens entfaltet. Als Bewohner einer Küstenstadt, die sich in der Zwischenkriegszeit in Italien befand, musste Gustinčič vor der Gewalt italienischer Faschisten fliehen und einige Male wurde er verhaftet. Mehr als ein Jahr hat er auch in Untersuchungshaft in Jugoslawien zur Zeit der Königsdiktatur verbracht. 1931 emigrierte Gustinčič nach Moskau. Er beteiligte sich am Spanischen Bürgerkrieg als Mitglied der internationalen Brigaden. Nach seiner Rückkehr aus Spanien nach Moskau befasste er sich hauptsächlich mit der Untersuchung der nationalen Frage auf dem Balkan.

In der Erwartung, dass er für seine Wirkung in der kommunistischen Bewegung im neugegründeten jugoslawischen Staat mit einem bedeutenden politischen Amt belohnt wird, kehrte Gustinčič im Februar 1945 nach Jugoslawien zurück. Diese Erwartungen wurden nicht erfüllt. Die führenden Kommunisten haben ihn von Entscheidungsstrukturen ferngehalten und zum ersten Dekan der (heutigen) Ökonomischen Fakultät in Ljubljana ernannt. Marginalisiert seitens der politischen Strukturen, äußerte Gustinčič in mehreren Briefen an die führenden slowenischen Kommunisten seine Kritik am slowenischen kommunistischen Führungskader. Den umfangreichsten Brief richtete Gustinčič im Mai 1947 an den führenden Ideologen der Partei, Edvard Kardelj. Gustinčič meinte, dass sich die Führungskader der KPJ von den Ausgangspunkten der Theoretiker des Marxismus-Leninismus entfernt haben und führte einige Fehler der führenden jugoslawischen Kommunisten an. Zudem fragte sich Gustinčič, wie es möglich sei, dass solche Fehler in Jugoslawien nach aller umfassenden Analysen der Werke Marx´, Engels´, Lenins und Stalins passieren können. 

Wegen seiner Kritik wurde er 1947 zur Anhörung in die Parteizentrale in Belgrad eingeladen. Daraufhin wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Bereits in der Frühphase des Konfliktes zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion wurde Gustinčič im April 1948 verhaftet, da einige seiner Kritikpunkte Ähnlichkeiten mit der Kritik an den jugoslawischen Führungskadern seitens der Kommunistischen Internationalen (Kominform) und federführender sowjetischer Kommunisten aufwiesen. Da er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Kominform-Resolution  schon im Gefängnis war, hat Gustinčič angeblich erst im Juni 1950 über die Resolution erfahren, als er aus dem Gefängnis nach Goli otok transportiert wurde. Dort wurde er äußerst gewaltsamer Folter unterzogen, in dem er zusammen mit anderen bedeutenden Kommunisten der älteren Generation in „Petars Loch“ gehalten wurde. Aufgrund schwerer Krankheit wurde er im März 1951 entlassen.  Während der Ableistung seiner Strafe ist er beinahe erblinded. Um frei zu kommen, musste er in einem Brief an das ZK der KPJ Reue zeigen. Dieser Brief wurde am 13. Juni 1951 in der Zeitschrift der KP Sloweniens „Ljudska pravica“ veröffentlicht. 

Gustinčič hat niemals einen Zeugenbericht über seinen Aufenthalt auf Goli otok veröffentlicht, jedoch hat er 1958, als er wieder ins Gefängnis gebracht wurde, folgende Zeilen verfasst: 

„Vor allem möchte ich betonen, dass ich mich bezüglich der bekannten Kominform-Resolution 1948 nicht geäußert habe, da ich schon am 18. April 1948 verhaftet worden bin, und diese Resolution, wie bekannt, im Radio zum ersten Mal erst am 28. Juni 1948 veröffentlicht wurde, und ich über diese Resolution erst zwei Jahre danach erfahren habe.”